Hopf Progreso
Innovativ
Dieter Hopf Konzertgitarre „Progreso“
Von Franz Holtmann
Progreso heißt im Spanischen Fortschritt. Das gleichnamige Modell verfügt denn auch gleich über mehre für Konzertgitarren ungewöhnliche Konstruktionsdetails, und Dieter Hopf beweist einmal mehr Mut zur Moderne.
Dieter Hopf aus Taunusstein gehört nun schon lange zu den angesehenen deutschen Gitarrenbauern und greift auf eine lange Familientradition im Instrumentenbau zurück. Im Gegensatz zu vielen vornehmlich handwerklich konservativ eingestellten Kollegen war er aber stets auf der Suche nach klanglicher Erweiterung mithilfe zeitgemäßer Mittel, in dem Bestreben, bewährte Handwerkskunst mit aktuellen Methoden und Materialien zu verbinden und darüber etwas Neues zu erschließen. So hat er bereits mit Schallaustrittsöffnungen im vorderen Deckenbereich und im Steg experimentiert, bevor ein amerikanischer Hersteller damit zu durchgreifendem Erfolg kam. Auch heute ist er noch ausgesprochen versuchsfreudig, wie das vorliegende Testinstrument nachweist.
Konstruktion
Nur auf den ersten Blick haben wir es bei der „Progreso“ mit einer ganz normalen Konzertgitarre zu tun, die über ein zwar kräftiges, aber nicht weiter auffällig großes Korpusvolumen verfügt. Augenfällig zunächst nur der ausgeprägt filigrane „Schnurrbart“-Steg aus Palisander und die im oberen Teil zusätzlich durchbrochene Kopfplatte, ein Hopf- Signum. Schauen wir aber in das stattliche Instrument hinein, so wundern wir uns über zwei von vorn nach hinten den Korpus frei durchmessende Streben, die, links und rechts neben dem Halsstock angebracht, leicht diagonal auf die hintere Zarge geführt werden. Diese Rohre aus Glasfaser entlasten die Decke vom Saitenzug, welche demgemäß mit einer leichten und filigranen, aber mit Carbon verstärkten Gitterbeleistung auskommt. Darüber hinaus sind auch die Bodenleisten konsequent carbonverstärkt. Diese Konstruktion erlaubt vor allen Dingen eine bemerkenswert geringe Deckenstärke (ca. 40 % unter Normalmaß) für die besonders sensible Ansprache des Instruments. Donnerwetter – da steckt schon eine Menge gedanklicher und handwerklicher Investition in dieser Arbeit. Interessant auch, wie viele Variationen zum gesetzten und weitgehend ausgereizten Standard unsere alte Konzertgitarre doch immer noch zulässt! Aber wir wollen die allgemeinen Grundlagen darüber nicht vernachlässigen, und die berufen sich immer noch auf gute Tonhölzer, deshalb hier zunächst die üblichen Details: Für den leicht gewölbten, über einen geschwärzten Mahagonistreifen in der Mitte zweigeteilten Boden und die Zargen der Progreso stand ungewöhnlich attraktiv gezeichnetes ostindisches Palisander zur Verfügung. Die Ränder sind von hell unterlegten Bindings aus Palisander eingeschlossen. Eine sehr feine, eng gemaserte Fichte bildet das Herz des Instruments, dem eine in dezenten Brauntönen gestaltete Rosette und aus mehreren Zierspänen gelegte Randstreifen Zier geben. Der Hals aus Cedro ist aus zwei Teilen über einen mit Zierstreifen belegten Ebenholzstreifen zur allgemeinen Verstärkung gefügt und mit einem Griffbrett aus glattem schwarzen Ebenholz ausgestattet. 19 perfekt bearbeitete, schlanke und eher flache Bünde teilen sich die plane Griffbrettfläche. Lob gibt’s für die hilfreichen Dots auf der Sichtkante zur Lagenkennung, das ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Die gut abgewinkelte und in oberen Bereich charakteristisch durchbrochene Kopfplatte ist wie üblich angesetzt und mit einem kräftigen südamerikanischen Palisanderfurnier belegt. Hochwertige, wenngleich für diese Klasse etwas schwergängige hauseigene Präzisionsmechaniken mit Ivoroid-Flügeln komplettieren den Kopf. Die saitentragenden Elemente Sattel und Stegeinlage sind aus poliertem Knochen präzise gearbeitet. Der Steg selbst ist aus einem schönen Stück Palisander besonders flach und feingliedrig gestaltet, vornehmlich, um Gewicht zu sparen. Versiegelt ist das Instrument rundum mit einer dünnen seidenmatten Nitro-Lackierung. Diese Arbeit ist, wie im Übrigen alle anderen handwerklichen Aspekte auch, auf vorbildlichem Niveau und detailgenau ausgeführt, wenngleich die Halsrückseite bei strengem Blick die eine oder andere nicht ganz geschlossene Pore zeigt. Das aber ist wirklich kein Problem.
Spiel- und Klangeigenschaften
Bereits die ersten Akkorde zeigen die Progreso als ein besonderes Instrument. Da durchflort ein feiner Odem aus zarten Obertönen die klingende Substanz der Gitarre. Die insgesamt seidige, gleichwohl jedoch hochpräzise und trennscharfe Grundnote wird beflügelt durch einen Chor von einschwingenden Resonanztönen, deren weiches Timbre eine ganz besondere Atmosphäre erzeugt. Die Bässe reagieren prompt auf den Anschlag, werden dann förmlich noch von einschwingenden Obertönen unterstützt und zeigen glattes homogenes Schwingverhalten. Allein in den ersten drei Bünden neigt die Saite bei kräftigem Anschlag etwas zu leichten Nebengeräuschen durch Ansetzen an die nächsthöheren Bünde. Die Saitenlage ist entsprechend niedrig und für eine sehr bequeme Handhabung eingestellt. Eine andere Saite schon könnte das Problem lösen – wenn es denn überhaupt eins ist, denn bei leichter Anschlagskultur taucht es erst gar nicht auf. Wo wir schon dabei sind: Die Progreso lässt sich wunderbar leicht und komfortabel bespielen. Das Hals-Shaping bietet in Zusammenhang mit der flach gehaltenen Saitenlage optimale Bedingungen für jedwede technische Umsetzung, der Rest ist pure Spielfreude.
Zurück zu den Details: Ein runder, weicher klanglicher Charakter kennzeichnet die tragenden Mitten der Gitarre. Der Diskant zeigt eine feine und doch innerlich gefestigte Artikulation. Nicht immer ist, wie man hier sehr schön beobachten kann, eine vordergründige Präsenz des Diskanttons die beste Lösung für guten klanglichen Ausgleich. Die Progreso verfügt über eine geradezu nachdrückliche Schwingungsentfaltung auf den hohen Saiten, deren Substanz sich in ihrer Durchsetzungskraft zeigt. Frei von Vordergründigkeit setzt sie Melodiespiel präzise in Szene und ergänzt das akkordische Klangbild mit harmonischer Eleganz. Im Bereich oberhalb des 12. Bundes wird der Ton naturgegeben wohl etwas kürzer, stellt sich aber auch hier immer noch verblüffend gut und plastisch dar, lässt darüber hinaus auch noch Entwicklungspotential spüren. Das allgemeine Timbre lässt sich als überaus feingliedrig, luftig und leicht, keineswegs deshalb aber als schmalbrüstig kennzeichnen. Die Klänge zeichnen sich durch eine detailreiche Auflösung mit viel Tiefgang aus. Sensibel reagiert die Progreso auf das Registerspiel, der Klang wechselt Farbe, ohne an Kraft und Ausdruck zu verlieren. Selbst in extremer Stegposition bleiben unangenehme Härten aus. Imposant auch die gut verteilten Trag- und Projektionskräfte in allen Griffbrettpositionen; selbst in den hohen Lagen entfalten sich die Klänge immer resonant und beschwingt. Das Instrument strahlt zudem eine sehr angenehme Wärme und Souveränität aus, geht mit dem Spieler, folgt leichtfüßig seinen Intentionen. So soll es sein!
Den vollständigen Artikel finden Sie in AKUSTIK GITARRE 4/02